30.08.2024

Kunstwerke aus der Sprühdose

Sprühkunst Sommerferienprogramm 2024
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Sprühkunst Sommerferienprogramm 2024

In Königsbach-Stein zeigt ein katholischer Diakon dem Nachwuchs, wie man mit Sprühdosen umgeht. Mit ihnen hat er in der Region schon viele Plätze verschönert.

Sobald der Druckkopf betätigt wird, kommt die Farbe als feiner Nebel aus der Sprühdose geschossen: in winzig kleinen Partikeln, die sich rasend schnell ausbreiten. Wenn sie auf das weiße Papier treffen, entstehen dort flächige Formen und filigrane Strukturen. Die Kinder müssen schnell sein, damit sich keine „Seen“ und keine „Rotznasen“ bilden. So nennt das Ulrich Haag, wenn sich die Farbe an einer Stelle sammelt und beginnt, herunterzulaufen. Beim Sommerferienprogramm in Königsbach-Stein leitet der katholische Diakon eine Aktion, bei der er den insgesamt rund 25 teilnehmenden Kindern und Jugendlichen zeigt, was man unter „Spray Painting Art“ versteht. Dafür hat er jede Menge Sprühdosen in den verschiedensten Farben auf das Gelände der katholischen Kirche in Stein gebracht, alle auf Wasserbasis und ohne starken Geruch nach Lösungsmitteln, alle so gesundheitlich unbedenklich und so umweltverträglich wie es geht. Gearbeitet wird im Freien: aus Sicherheitsgründen, damit sich die feinen Partikel in der Luft schnell verflüchtigen. Haag ist es wichtig, dass keine Langeweile aufkommt, dass es keinen Leerlauf gibt und die Kinder immer etwas zu tun haben. Mit Aktionen wie diesen will er ihnen zeigen, dass in der katholischen Kirche auch moderne Ideen zu Hause sind, dass sie der jungen Generation etwas zu bieten hat. Für ihn geht es dabei auch um das Gebot der Nächstenliebe. Darum, dass andere Menschen aus seinem Dienst für die Kirche einen Vorteil haben. Denn der auch in den sozialen Medien aktive ständige Diakon ist überzeugt: „Christen sollte man nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten erkennen.“ Ihm ist es wichtig, neue Wege zu gehen und neue Formate zu schaffen. Etwa in Form von „Spray Painting Art“. So nennt Haag die Technik, die er sich größtenteils selbst beigebracht hat.

 

Als „Graffiti“ will er das Ganze bewusst nicht bezeichnen. Allein schon deshalb, weil er keine Schriftzüge verwendet, sondern großflächige Objekte mit natürlich wirkenden Farben so gestaltet, dass sie sich in die Umgebung einfügen und eine optische Aufwertung erfahren. Mit den Firmlingen der katholischen Seelsorgeeinheit Kämpfelbachtal hat er im Auftrag von Gemeinden in der Region schon öfter öffentliche Plätze verschönert, etwa die Unterführung zwischen Ersingen und Bilfingen, ein ehemaliges Toilettenhäuschen am Pfinztaler Leerdamplatz und ein kleines Gebäude an einem Wilferdinger Spielplatz. Gearbeitet haben die Jugendlichen dabei nicht nur mit Sprühdosen, sondern auch mit Pinseln, Walzen, Schwämmen und andere Hilfsmitteln. Einen Schnupperkurs in „Spray Painting Art“ hat Haag voriges Jahr zum ersten Mal angeboten: kurz vor den Sommerferien für die Konfirmanden der Seelsorgeeinheit Kämpfelbachtal. Damals kam die Aktion so gut an, dass er beschlossen hat, sie in diesen Ferien zu wiederholen: nicht nur beim Ferienprogramm in Königsbach-Stein, sondern auch in Kämpfelbach und Remchingen. Wände und Gegenstände sind dabei tabu. Denn: „Echte Künstler arbeiten auf Papier.“

Nach ausgiebigem Schütteln kommt auf der Sprühdose der Aufsatz zum Einsatz, der am wenigsten Farbe durchlässt. Wie man mit ihm Linien und Kreise zeichnet, erklärt Haag den Kindern in Königsbach-Stein auf großen Blättern. An einer Wand hängend, bilden sich auf ihnen sofort „Tropfnasen“, wenn nicht schnell genug gearbeitet wurde und deswegen zu viel Farbe auf einer Stelle gelandet ist. Als die Kinder den Dreh raus haben, füllen sie gemeinsam ein großes Bild mit Leben: Flüsse werden blau, Berge grau, Bäume grün und Sonnenstrahlen gelb. Ohne viele Vorkenntnisse, in kürzester Zeit, mit einfachen Mitteln und wenig Aufwand entstehen auf dem Außengelände der katholischen Kirche in Stein zahlreiche kleine Kunstwerke, als sich die Kinder an das Gestalten von Weltraum-Bildern machen: Mit bunter Farbe sprühen sie einen Untergrund, aus dem später mit Hilfe von leeren Milchreis-Bechern und Blumentopf-Untersetzern die Planeten entstehen. Es dauert nicht lange, bis die Kinder wissen, wie man Schatten, Dreidimensionalität und Hell-Dunkel-Effekte erzeugt, wie man mit Hilfe von weißer Farbe auf Einweghandschuhen Sterne auftauchen lässt und mit vorsichtigen Sprühstößen feine Nebel erschafft. Kein Wunder, dass Haag von der Motivation der Teilnehmer begeistert ist und die „richtig kreative Fantasie“ lobt, die viele von ihnen an den Tag legen. – Nico Roller